Martin Pfeifle: Texte zu „onda“

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Martin Pfeifle: onda, 2016



Textbeitrag von Dr. Marcel Schumacher zur Aufstellung auf der Skulpturenwiese Moltkeplatz

ONDA
Mitten auf der grünen Rasenfläche löst sich eine strahlend weiße Fläche vom Boden und kräuselt sich. Der Düsseldorfer Künstler Martin Pfeifle hat eine scheinbar schwebende Woge für den Essener Moltkeplatz gebaut. Diese Skulptur im öffentlichen Raum inszeniert nicht nur eine schöne Welle, sie ist zugleich ein Ort für die Öffentlichkeit: ein Treffpunkt oder auch eine Liegefläche. So entsteht auf dem Moltkeplatz eine Ausstellung im öffentlichen Raum und zugleich können die Menschen diese Fläche durch ihre Aktivitäten zu einem Ort der Gemeinschaft machen.

ONDA erinnert weniger an eine schäumende Welle sondern eher an eine gewellte Fläche, an das Kräuseln einer Oberfläche oder sogar an eine Schallwelle. ONDA weckt auch die Erinnerung an eine andere Welle, an jene elegant geschwungene, weiße Linie, die sich auf der Strandpromenade von Rio de Janeiro in weißem Mosaik über das schwarze Pflaster schlängelt. Da ist Rhythmus, Sound kommt einem ins Ohr. Tatsächlich ist es das, wozu uns die Skulptur auffordert: In Schwingung zu geraten, auf sie zuzugehen, zu verweilen, Platz zu nehmen, die Gedanken schweifen zu lassen oder miteinander ins Gespräch zu kommen.

Martin Pfeifle hat eine lebendige Skulptur für den Moltkeplatz entworfen, kein Monument für den öffentlichen Raum und auch keine hermetische Plastik. Er reagiert auf den Kontext, in dem seine Kunstwerke stehen. Mit einem großen Gespür für Materialien und räumlich-plastische Wirkungen gelingt es ihm, in seinen Installationen nicht nur überraschend schöne Plastiken zu schaffen; immer auch wird der Betrachter mit hineingezogen in die Skulptur. Er bricht die „Unberührbarkeit“ des Kunstwerks durch die Alltäglichkeit des Materials auf. Silbernen Glanz erzeugt er durch Alufolie, Kuben aus Styropor und Bodenskulpturen aus weiß lackierten Holzplanken.

In den letzten Jahren hat der Künstler viele Installationen realisiert ‒ umso erstaunlicher ist es, dass sich die Installationen nicht wiederholen. Für jeden neuen Kontext wählt er ein neues Konzept. Eine Quelle für diese Vielfalt mag seine Aufmerksamkeit für die Gestalt des urbanen Raums sein. Seit seinem Studium an der Kunstakademie Düsseldorf hat Martin Pfeifle eine Fotosammlung unterschiedlichster Architekturdetails angelegt. Die Fotografien sind manchmal beiläufig, manchmal auf Entdeckungstouren entstanden. Sie bilden eine Art bildliche Notizensammlung, einen losen Zettelkasten. So zufällig die Entdeckung des Motivs sein mag, Quadrierung und Komposition abstrahieren das fotografierte Objekt. Die ausgewählten Motive zeigen Ausschnitte von modernen Architekturen. Doch es handelt sich nicht um glatte Architekturfotos, oft zeigen die Details Spuren von Veränderungen, Rissen und Brüchen. Dieses wache Sehen und Erwandern des städtischen Raums hat Martins Pfeifles Gespür für Raum und Material geschult. Hier auf dem Moltkeplatz ist ihm wieder einmal eine perfekte Setzung gelungen, die darauf wartet, belebt zu werden.

Juni 2016

Dr. Marcel Schumacher

Dr. Schumacher ist Leiter des Kunsthaus NRW in Aachen-Kornelimünster. Er ist Kurator des Projektes onda

Einführung von Prof. Dr. Harald Goebell

in Vertretung für den erkrankten Dr. Marcel Schumacher anlässlich der Vernissage auf der Skulpturenwiese Moltkeplatz Essen am 22. Mai 2016

Sehr geehrte Besucher des Moltkeplatzes, liebe Mitglieder des Vereins Kunst am Moltkeplatz, liebe Vertreter der Stadt, liebe Kunstfreunde!

Heute ‒ bei der sechsten Vernissage des Projekts junge Kunst am Moltkeplatz ‒ ist sicher ein herausragender Tag:

Wir können Ihnen ein Kunstwerk präsentieren, das in seiner Form und Bewegung unmittelbar zu uns spricht: Es trägt den Namen onda ‒ die Welle. Bewegung, Statik – man sieht förmlich eine Welle an einen Strand herantreten ‒ hier an den Strand eines städtischen Parks.

Unmittelbar vermittelt es Lebensfreude und Vitalität: Wir können es spüren ‒ hier ist ein Künstler am Werk, der Bewegung mitteilen möchte.

Wer ist der Künstler, den wir durch unseren Kurator Dr. Marcel Schumacher, jetzt Leiter der Landeseinrichtung Kunsthaus NRW in Aachen-Kornelimünster, gewinnen konnten und der uns von unserem künstlerischen Beirat ‒ Dr. Tobia Bezzola (Museum Folkwang Essen), Dr. Uwe Rüth (ehemals Skulpturenmuseum Glaskasten Marl) und Prof. Dr. Manfred Schneckenburger (unter anderem zweimaliger Künstlerischer Leiter der Documenta Kassel) ‒ empfohlen wurde?

Martin Pfeifle, ein gebürtiger Stuttgarter, schwäbisch, geboren in 1975.

Absolvent der Kunstakademie Düsseldorf, wo er von 1998 bis 2004 bei Tony Cragg und Hubert Kiecol studierte.

Auch danach ist Düsseldorf sein Lebensmittelpunkt geblieben. Dort arbeitet er ‒ aber seine Werke sind von dort weit verteilt worden: erst im Umfeld ‒ Leverkusen, Köln, Münster ‒ und dann weiter nach Berlin, Süddeutschland, Mannheim, Niederlande, Italien.

Er entwickelt Projekte für Räume: für Innen und Außen. Ein wesentlicher Schritt für seine künstlerische Entwicklung ist ohne Zweifel ein Stipendium in der Villa Romana in Florenz gewesen. Die südliche Leichtigkeit können wir auch in unserer Skulptur erkennen ‒ strahlend weiß und bewegt in der Welle.

Es folgt ein aus der Phase der Projektplanung stammender Text des Kurators Dr. Marcel Schumacher:

„Mitten auf der grünen Rasenfläche löst sich eine strahlend weiße Fläche ab. Der Düsseldorfer Künstler Martin Pfeifle hat eine scheinbar schwebende Woge für den Essener Moltkeplatz entworfen. Diese Skulptur im öffentlichen Raum inszeniert nicht nur eine schöne Welle, sie ist zugleich ein Ort für die Öffentlichkeit: ein Treffpunkt, eine Liegefläche oder auch eine Bühne für ein Sommerfest. So entsteht auf dem Moltkeplatz nicht nur eine Ausstellung im öffentlichen Raum: Die Menschen können diese öffentliche Fläche durch ihre Aktivitäten zu einem Ort der Gemeinschaft machen.

Wellen haben immer wieder Künstler fasziniert und waren Motiv in der Kunst. Angefangen bei den Wellenstudien Leonardo Da Vincis, über die Wogen bei Gustave Courbet, den Wellenmustern Bridget Rileys bis zu der Surferwelle bei Raimund Pettibon. Die Welle von Martin Pfeifle ist eher eine plätschernde Brandung als eine stürmische Woge, oder handelt es sich doch um das Modell einer Landschaft von Bergen und Tälern?

Immer wieder greift der Künstler Martin Pfeifle mit Skulpturen oder Materialveränderungen in den Öffentlichen Raum ein. Für die Skulpturenbiennale 2013 in Amsterdam verkleidete er Pflanztröge mit buntem Teppich. So entstanden im Stadtraum bequeme Sitzmöbel, zugleich veränderte die Intervention die Wahrnehmung des Ortes. In München errichtete er auf einer Wiese den HAW Pavillon: von weitem eine weiße minimalistische Würfelskulptur, entpuppte er sich bei Wind als leichte Vorhangkonstruktion aus PVC-Folien mit farbig leuchtendem Innenleben.

Das Kunstwerk soll in einer Größe von 7 x 7 Metern aus einer lackierten Holzkonstruktion gebaut werden. Die Kurven werden ausgefräst, die Welle selbst in Leisten ausgeführt – in der Anmutung einer Parkbank. Die maximale Höhe wird einen Meter betragen, womit eine geringe Fallhöhe berücksichtigt ist. Die Konstruktion soll mit Punktfundamenten verankert werden.“
Ende des Zitats

Wir wollen uns tragen lassen von der schönen Skulptur, die Optimismus ausstrahlt und Lebensfreude: onda – die Welle!

22. Mai 2016

Prof. Dr. Harald Goebell

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